Schon wieder vorbei?

Ich mag meine Geschichten zu gern. Immer wenn es ans Ende geht, habe ich plötzlich nicht mehr die geringste Motivation zum Schreiben und gebe mich auch damit zufrieden, wenig oder gar nichts zu schreiben. So geschehen in den letzten Tagen – gestern ging es über 2000 Wörter nicht hinaus. Ich wollte einfach nicht.
Dafür habe ich heute den vorläufigen Schluß geschrieben und freue mich jetzt auf die Überarbeitungsrunde, die ich mir vorgenommen habe. Jetzt weiß ich nämlich, worauf ich achten muß. Aber Teil 7 muß jetzt warten, bis ich da angekommen bin, erst mal sind nämlich die anderen Teile dran. Ich hab ja jetzt die Zeit, mich damit zu befassen!

Schön ist, daß Andrea jetzt endgültig wieder im Profiler-Team ist. Der aktuelle Fall hat ihr gezeigt, daß es doch immer noch das Richtige ist. Besonders, nachdem ihr der Dank der Familie zuteil wurde. Natürlich freut Joshua sich riesig, als sie ihn anruft und ihm mitteilt, daß sie zurückkommt.

„Ich will zurück. Ich will wieder ins Team.“
Plötzlich war es totenstill am anderen Ende. Ich war irriert. „Was ist los?“
„Ich hatte eigentlich nicht mehr damit gerechnet, daß du das jemals sagen würdest.“
„Aber du freust dich?“
„Na, und wie ich mich freue! Aber obwohl ich es nicht sein sollte, bin ich überrascht. Warum jetzt? Was ist passiert, das dazu geführt hat?“
„Das ist ganz einfach“, sagte ich und ließ mich auf unser Gästebett fallen. Ich war allein im Zimmer. „Ich habe hier gespürt, daß nicht mein Job das Problem war. Im Gegenteil. Sobald ich hier angefangen habe, ein Profil zu erstellen … da habe ich mich wieder gefühlt wie ich selbst. Da habe ich nicht mehr an damals gedacht, es war egal.“

Jetzt ist es an mir, einen neuen Fall für sie zu erdenken. Noch habe ich den nicht. Mal sehen, wo ich ihn finde…

Letzter Satz: Es konnte losgehen.

Täter und Opfer

Andrea hat es nicht leicht. Mit gebrochenem Fuß, angeknacksten Rippen und Gehirnerschütterung. Aber immerhin lebt sie noch und kann dem Kommissar erzählen, was passiert ist – und sie kann ihm das Tagebuch überreichen, das sie fast ins Grab gebracht hätte.
Entsprechend erfreut ist natürlich Gregory, als er mitten in der Nacht von einer Krankenschwester geweckt wird und plötzlich Andrea vor ihm steht – Schatz, ich hatte einen Unfall. Da ist der nächste Herzanfall nicht weit. Inga und Jack sind ähnlich geschockt.
Andrea bleibt also über Nacht im Krankenhaus und schmökert, während Greg die Krise kriegt, mit dem Kommissar im Tagebuch der Toten. Darin steht alles, was sie wissen müssen. Aber danach unterhalten sie sich noch ziemlich tiefgehend und Andrea erzählt ihm, warum sie eigentlich Profilerin ist.
(Heute dann mal ein extralanges Stück zum Lesen!)

Becker seufzte. „Ich weiß nicht, wie ich mich an Ihrer Stelle verhalten hätte. Ob ich Hilfe geholt hätte. Ob ich ihn sterben gelassen hätte.“
„Wissen Sie, das ist das Merkwürdige, wenn man einem Verbrecher als Opfer gegenübersteht. Man hat unwillkürlich eine Beziehung zum Täter, ob man nun will oder nicht. Als ich vorhin bei ihm saß und mit ihm sprach, war es eine ganz eigenartige Situation. Er war der Cousin meines Mannes, wollte mein Mörder sein, ich kannte ihn. Ich hatte sogar ein wenig Mitleid. Man ist sich nicht mehr fremd. Diese Vertrautheit ist wirklich unheimlich. Das habe ich schon mehrmals erlebt. Jonathan Harold, der Campus Rapist von Norwich, wurde plötzlich ganz sanft, als er meine Freundin erst umgebracht hatte. Ich konnte über die Stunden hinweg beobachten, wie seine Motivation ins Wanken kam. Erst wollte er mich töten, und zwar ganz besonders grausam. Dafür hatte er geübt. Für meine Folter. Aber dann war ich da und habe ich anders verhalten, als er es erwartet hätte. Einfach weil ich schon wußte, wie er tickt … Und das hat ihm imponiert. Vorher hat er mich angebrüllt, vielleicht auch mal geschlagen. Er wollte mich einschüchtern. Aber dann, als wir allein waren, da setzte er sich zu mir und sprach mit mir. Er wollte wissen, ob ich ihn verstehe.“
„Was haben Sie gesagt?“ fragte Becker tonlos.
„Ich konnte nichts sagen. Ich habe nur genickt.“ Mit dem Blick ins Nichts atmete ich tief durch und zog die Schultern hoch. „Das war der Moment, verstehen Sie? Vor ihm lag diejenige, die ihn monatelang gejagt hatte. Und mein Profil hat ihn letztlich auch zur Strecke gebracht. Bei allem, was er tat, war mir klar, warum er es tat. Ja, ich habe ihn verstanden. Sogar noch in dem Moment, als er seine Folter gegen mich gewandt hat.“
„Das … das kann ich mir fast nicht vorstellen.“
„Das kann man auch nicht. Aber in diesem Moment wurde mir eins klar: Das ist ein Geschenk. Ich war selbst Opfer. Ich wollte nicht, daß solche Verbrecher frei herumlaufen und ich wollte andere Opfer schützen. Es ist doch eine Gabe, sich so sehr in psychisch kranke Täter hineindenken zu können, daß man sie finden und verhaften kann! Und dabei kommt man ihnen unwillkürlich so nah, wie ich Thomas vorhin nah kam. Es ist so eine seltsam intime Situation, der man sich kaum entziehen kann. Nur daß ich vorhin nicht mehr das Opfer war. Ich hatte gewonnen.“ Nervös knetete ich meine Finger. „Er hat gesagt, ich soll den Job weitermachen.“
„Tatsächlich?“
„Ja. Weil ich es gut kann, sagte er. Und wissen Sie was? Ich werde es tun.“

Man kann auch …

… 8000 Wörter am Tag schreiben. 8093, um genau zu sein. Wenn man zwischendurch genug Pausen macht, geht das. Allerdings fühle ich mich jetzt wie ein hirntotes Wrack.
Wenn ich mir dann aber die NaNo-Schreiber in meinem Forum angucke – die toppen mich, was das angeht. 40 000 in 5 Tagen?
Nein. Ich bin zwar ein Kampfschreiber, aber sowas muß man dann doch nicht machen. Und wenn man sich das anguckt, versteh ich auch die Unkenrufe, die dem NaNo mangelnde textuelle Qualität unterstellen. Das ist doch kompletter Wahnwitz!

Aber warum schreibe ich heute doppeltes Tagespensum? Weil es einfach Szenen gibt, die sich nicht unterbrechen lassen. Pausen sind gut und wichtig. Im Gegensatz zu dem 11 000er-Wahn, den ich mal bei Teil 1 angestellt habe, habe ich auch heute gegessen und getrunken 😉
Aber manche Szenen sind zu lang und zu wichtig, um sie nicht ernst zu nehmen. Die kann man auch nicht unterbrechen und eine Nacht dazwischenklemmen. Das Gefühl, die Stimmung, die Atmosphäre – das kommt nicht wieder. Also einerseits zu lang für einen Tag, aber andererseits zu wichtig, um unterbrochen zu werden.
Also schreibt man doch wieder weiter. Irgendwann erreicht man dann auch den Punkt, wo es egal ist und man ewig weitermachen könnte … der ist auch lustig. Aber ich habe beschlossen, es jetzt gut sein zu lassen. Es ist auch genug passiert.

Andrea wurde von Thomas ertappt, als sie gerade auf der Suche nach Silvias Tagebuch war. Und Thomas versteht da keinen Spaß. Er besitzt leider einen Elektroschocker, überwältigt Andrea und überlegt genüßlich, wie er sich ihrer entledigen könnte.

Thomas war immer noch da. Er setzte sich neben mich auf die Liege, so daß ich nur seine Schuhe sehen konnte. In meinen Gliedmaßen kribbelte es allmählich. Als ich es versuchte, schaffte ich es zumindest, zwei Finger leicht zu bewegen.
„Ja, was will ich jetzt tun?“ überlegte Thomas laut. „Das habe ich mir ehrlich gesagt vorher nicht überlegt. Ich wußte ja nicht, ob du das wirklich tust. Aber jetzt bist du hier und ich muß schauen, daß ich mir keine Leichen in den Keller lege, wenn du verstehst …“
Ich stöhnte. Diese Art von Humor konnte ich nicht teilen. Das Atmen fiel mir schwer, zumindest durch die Nase. Nicht weinen, dachte ich stumm. Hilft nicht. Macht alles nur schlimmer.

Doch es kommt auch so schlimmer. Sie kann ihn nicht davon abbringen, sie tatsächlich umbringen zu wollen. Und um sie loswerden zu können, legt er sie in den Kofferraum seines Wagens und fährt mit ihr los. Sie weiß genau, jetzt kann nur noch ein Wunder sie retten. Ein Wunder im Wald …

Letzter Satz für heute: Aber ich tat es nicht.

Am Rande der Legalität

Andrea ist überzeugt, den wahren Mörder zu kennen. Es gibt nur ein Problem: Es fehlen Beweise. Und so kommt es, daß der Polizei die Hände gebunden sind. Völlig frustriert verkriecht Andrea sich nach einer ruhelosen Nacht zu Gregory ins Krankenhaus und freut sich immerhin mit, als sein Vetter aus der U-Haft entlassen wird. Aber das ist eben nur ein Teilsieg. Und der Kommissar kann nicht so ermitteln, wie er will, weil Andrea eben nur inoffiziell hilft. Und das macht sie fertig. Sie will Gerechtigkeit.

„Silvia und die Kinder sind tot. Eigentlich war es mir sogar egal, ob ich im Gefängnis sitze, weil es das nicht schlimmer gemacht hat. Bloß wollte ich nicht für etwas büßen, das ich nicht war.“
Er blickte aufrecht in die Runde. Sein Blick sprach dabei Bände – es war ihm tatsächlich egal. Was hatte er denn jetzt noch? Er hatte seine Arbeit und seine Familie verloren. Er stand vor dem Nichts.
Das konnte nicht sein. Das war falsch. Ich entschuldigte mich für einen Moment und machte mir die Mühe, drei Stockwerke nach unten zu laufen und das Krankenhaus zu verlassen, nur um ein bißchen frische Luft atmen zu können.

Nach ihrem Besuch beim Kommissar faßt Andrea einen folgenschweren Entschluß: Sie will die fehlenden Beweise selbst beschaffen, denn sie weiß, daß es sie gibt. Das ist natürlich alles andere als legal und ihr ist auch sehr unwohl bei der Sache, aber sie begeht einen Einbruch. Und hat Erfolg. Sie findet die Beweise, die sie braucht – wird aber selbst auch gefunden …

Letzter Satz für heute: „Suchst du das hier?“ fragte er spöttisch.

What next?

Gestern war der Wurm drin. Heute auch ein bißchen, aber heute lief es besser als gestern. Gestern habe ich nach 900 Wörtern das Handtuch geschmissen, heute habe ich wenigstens 3000 zusammenbekommen. Das Problem ist, wie immer, meine 2/3-Plotterei.
Wenn ich mir eine Geschichte ausdenke, dann immer bis zu 2/3 ihrer Länge. Erstens, weil ich am Anfang noch keine Ahnung habe, was draus werden soll, und zweitens, weil sich das meist aus dem Handlungsverlauf ergibt. Gern fällt einem dann aber auf, daß man viele Dinge noch nicht bedacht hat und dann heißt es nachsitzen …
Das tue ich gerade. Ich habe die fuuurchtbar öden Szenen hinter mich gebracht, die sich darum drehen, wie Gregory gerade im Krankenhaus liegt. Abends hat Andrea dann überraschend die Begegnung mit Thomas gemacht, der auf sie gewartet hat.

Wir bewegten uns auf den Ausgang zu und verließen das Krankenhaus. Draußen war es fast dunkel und ziemlich kalt.
„Und was willst du jetzt machen, so ohne Beweise?“ fragte er.
Ich zuckte mit den Schultern. „Es ist nicht meine Aufgabe, Beweise zu sammeln. Das muß der Kommissar tun. Horchst du mich hier eigentlich gerade aus?“
Er schüttelte den Kopf. „Das ist nicht meine Absicht. Zu versuchen, etwas vor dir zu verbergen, ist ziemlich überflüssig.“
„Warum?“
„Weil du sowieso schon alles weißt.“

Im weiteren Verlauf des Gesprächs hat Andrea dann plötzlich Angst vor Thomas und spricht mit dem Kommissar über die Dinge, die Thomas ihr gesagt hat. Nur sind dem Kommissar ohne Beweise die Hände gebunden und Andrea fragt sich, warum Thomas überhaupt so offen zu ihr gesprochen hat.

So wie ich mich jetzt frage, was eigentlich als nächstes passiert… ich muß plotten gehen.

Letzter Satz für heute: Mir stand nicht der Sinn nach Geschichten.

Herzstillstand

Die „Knights of Truth“ sind ja nun bekanntlich aus der Reihe geflogen, was in mancher Hinsicht sehr schade ist – man denke nur an die ganz haarsträubend spannende Szene mit dem Autounfall, in der Greg fast draufgeht, oder die Tatsache, daß der Antagonist ein Soziopath ist.
Ich konnte mich ja hinsichtlich des Rauswurfs dieses Teils dahingehend mit mir selbst einigen, daß ich die besten Ideen recyceln wollte. Und das habe ich – der Soziopath ist wieder da und der Unfall wohl nicht gerade, aber Greg geht trotzdem auch diesmal fast drauf. Nur anders. Thomas ist abends gekommen, nur um Andrea eine reinzuwürgen und undankbarerweise steht Greg daneben.

„Weißt du, ich glaube, seitdem bist du nicht mehr ganz auf der Höhe. Ich will nur nicht, daß du das an mir ausläßt. Für diese Typen kann ich nichts!“
„Bist du fertig?“ zischte ich.
Er grinste düster. „Ich habe recht, oder? Die haben dich vergewaltigt.“
„Verdammt noch mal, Thomas! Worum geht es dir?“ rief ich aufgebracht. Ich diesem Moment spürte ich, wie Gregs Finger sich von meinem Arm lösten und er zur Seite taumelte. Erschrocken blickte ich zu ihm auf. Er stieß gegen die Tür, drückte sie gegen die Wand und lehnte sich keuchend daneben. Er war weiß wie der Tod und hatte eine Hand in seinen Pullover gekrallt, direkt über seiner Brust.
„Hol einen Arzt“, sagte er tonlos, fast unhörbar. Als er gleich darauf die Augen verdrehte und in sich zusammensackte, stieß ich einen Schrei aus. Doch ich stand da wie gelähmt. Es dauerte eine Schrecksekunde, bis ich vorschnellte und versuchte, ihn aufzufangen, bevor er mit dem Kopf auf den Boden schlug. Ich ging in die Knie und hielt ihn fest.

Während Andrea gar nicht weiß, was überhaupt vor sich geht, ruft tatsächlich jemand einen Arzt. Glücklicherweise ist Anna in der Nähe, die angesichts ihres ohnmächtigen Sohnes ein besonderes Déjà-vu erlebt, denn das ist ihr schon einmal mit ihrem eigenen Mann passiert. Und so weiß sie, was sie tun muß, um zu verhindern, daß Gregory vom Fleck weg stirbt.

Letzter Satz für heute: Ich rutschte ein Stück vor und griff nach Gregorys Hand. Sie war so kalt wie meine.

Frühwerk

Man kann auch bis zum frühen Nachmittag schon 3000 Wörter schreiben. Geht alles, wenn man danach weg muß. Heute war so ein bißchen Überbrückung dran – ein weiteres Gespräch mit Inga, ein Besuch bei Matthias in der U-Haft und danach ein saftiger Streit mit Thomas, der vom Kommissar befragt wurde und jetzt denkt, Inga hätte den Mann auf ihn angesetzt. Inga gemeinsam mit Andrea, was im Prinzip auch stimmt, da die beiden dem Kommissar ja gesagt haben, daß Andrea ihn für einen Soziopathen hält.
Und die Vermutung bestätigt Thomas nur allzu plakativ:

„Das darf doch nicht wahr sein!“ brüllte er. „Jetzt soll ich als Sündenbock herhalten, ja?“
„Daß du leicht aggressiv wirst und unbeherrscht bist, sehe ich ja gerade“, erwiderte ich ruhig.
„Hast du schon ein Profil von mir? Ja? Wie lautet denn dein Urteil?“
„Thomas, jetzt hör doch mal mit dem Unsinn auf. Du bist routinemäßig vernommen worden und das hat mit mir überhaupt nichts zu tun.“
„Aber der Kommissar wußte, was Weihnachten passiert ist. Der hat mich auf dem Kieker und ich nehme schwer an, das ist deine Schuld!“
„Zu meinem Beruf zählte es nicht, jemanden fälschlich zu bezichtigen! Das würde ich nicht tun!“
„Prima, dann halt am besten fortan die Klappe. Du betreibst hier Rufmord.“

Danach zweifelt Andrea erst mal an sich selbst. Erstens, weil sie sich nicht sicher ist, ob ihr Urteil richtig war. Und zweitens, weil sie sich in den Hintern beißen müßte, wenn ihr Urteil richtig war – denn dann hat sie einem Verdächtigen den wundervollen Hinweis geliefert, daß sie ihn für verdächtig hält. Sofort zweifelt sie an ihrer Kompetenz und möchte am liebsten weglaufen. In der Familie ermitteln ist eben eine undankbare Aufgabe.

Letzter Satz für heute: Alexander stand schon in der Tür, nickte aber.

Profil eines Soziopathen

Heute lief es wesentlich besser als gestern. Warum, weiß ich auch nicht – anscheinend hatte ich jetzt mehr Klarheit, wie ich Thomas eigentlich darstellen will. Das war auch gut und wichtig, denn der heutige Teil galt allein ihm.
Andrea konnte sich nicht vorstellen, warum Inga, Gregory und Jack geschlossen gegen ihren Cousin wettern. So unsympathisch war er ihr gar nicht vorgekommen. Aber dann haben Jack und Inga sich die Zeit genommen, ihr zu erzählen, wie Thomas früher war. Als Kind, als Jugendlicher, als junger Erwachsener. Daß die Eltern ihn ins Internat gegeben hatten, weil sie mit seiner Schulschwänzerei und dem Stehlen nicht mehr zurecht kamen. Daß er sich einen Spaß daraus machte, seine jüngeren Cousins und Cousinen herumzukommandieren und zu erschrecken.
Und nachdem Andrea sich das alles angehört hat, blieb für sie nur eine Schlußfolgerung.

„Nicht wirklich. Inga und ich haben Andrea vorhin von unserem netten Cousin Thomas erzählt. Von den Dingen, die er früher so angestellt hat.“
Gregory nickte. „Der klassische Psychopath, denke ich manchmal.“
Ich erstarrte. „Das war es, was ich mir vorhin überlegt habe.“
„Ist das eine Krankheit?“ fragte Jack.
„Es gibt eine antisoziale Persönlichkeitsstörung. Nach dem, was ihr erzählt habt, ist Thomas der klassische Soziopath. Er zeigt anderen Menschen gegenüber keinerlei Empathie. Die siebenjährige Inga sitzt oben im Baum und weint? Das findet er höchstens noch lustig.“

Eine Tatsache, die Andrea der Polizei gegenüber für erwähnenswert hält – doch als es dann soweit ist, traut sie sich nicht mehr. Sie will Thomas erst noch auf den Zahn fühlen, um sicher zu sein. Aber auch Thomas schläft nicht …

Letzer Satz für heute: „Okay. Das sollte ja nicht so schwierig sein.“

Kampf gegen die Unruhe

Manchmal ist ja der Wurm drin. Nicht im Schreiben, sondern in den Begleitumständen. Heute war so ein Tag… Als ich es endlich geschafft hatte, mich zum Schreiben hinzusetzen, dauerte es nicht lang, bis das Telefon klingelte. Eine Dreiviertelstunde weg. Danach kochen, dann festgestellt, daß die Bonsai-Erde das Wasser nicht aufnimmt und erst mal Klimmzüge unternehmen, um das arme Pflänzchen vorm Verdursten zu retten … ups, Abend.

Daß ich mein Tagespensum trotzdem geschafft habe, grenzt an ein Wunder. Vor allem, wenn man überlegt, wie schwer mit die Charakterisierung von Gregorys anderem Cousin Thomas fiel. Heute kam es wieder dazu, daß die Charaktere getan haben, was sie wollten. Thomas begann während der Beerdigung, zu telefonieren, obwohl das überhaupt nicht geplant war und mit Gregory kann er kein vernünftiges Wort reden, ohne daß die zwei sich gegenseitig anmotzen. Nur: Warum? Ich habe noch gar keinen Background dafür!

„Matthias ist nicht der Heilige, für den ihn alle halten! Ich meine, er hat ihr sogar verschwiegen, daß man ihm gekündigt hatte. Drei Wochen lang! Er hat immer viel gerarbeitet und hatte wenig Zeit für die Familie. Karrieregeiler Spinner. Ich halte es für möglich, daß er einfach überfordert war. Oder nicht? Kein Job mehr, bald ein drittes Kind …“
„Da spricht der Experte in Sachen Familienleben“, unkte Greg.
Thomas ging darüber hinweg. „Matthias hatte, so gesehen, genug Gründe. Ich weiß ja, daß die beiden Eheprobleme hatten. Und dann der Jobverlust … vielleicht ist er ausgerastet! Vielleicht wollte er sie einfach … ach, das ist furchtbar. Er kann froh sein, daß er heute nicht hier war. Am liebsten würde ich ihm den Hals umdrehen. Kinder töten! Ich darf mein Kind nicht mal sehen!“
„Was Gründe hat“, goß Gregory noch mehr Öl ins Feuer.

Anschließend quetscht Thomas Andrea erst mal über ihre Arbeit im Allgemeinen und ihre augenblickliche Ermittlung im Besonderen aus, ohne dabei durchblicken zu lassen, warum ihn das interessiert. Auch das mußte ich zweimal umschreiben, weil der Dialog nicht so wollte wie ich. Was auch nicht einfach ist, wenn man ständig unterbrochen wird.
Beim Dialogschreiben unterbrochen zu werden ist das Schlimmste, was passieren kann. Denn da entwickelt sich spontan eins aus dem anderen. Aber was, wenn man hinterher vergessen hat, was man mal sagen wollte?

Letzter Satz für heute: Ich zuckte arglos mit den Schultern.

Schuldig? Unschuldig?

Nach der gestrigen Pause geht es heute frisch weiter. Während die Beerdigung vorbereitet wird, schaut der Kommissar bei der Familie vorbei und informiert alle über den aktuellen Ermittlungsstand. Unpraktisch nur, daß es keinerlei entlastende Beweise für den Verdächtigen gibt. Keine nachweisbaren Betäubungsmittel im Blut, das Tagebuch der Toten bleibt verschwunden und einen neuen Verdächtigen gibt es nicht.
Dennoch glaubt der Kommissar an das, was Andrea vermutet.

„Aber was glauben Sie?“ fragte ich. „Glauben Sie persönlich immer noch an seine Schuld?“
„Was ich glaube, tut nichts zur Sache.“
„Natürlich nicht, aber ich bin neugierig.“
Er seufzte nachdenklich. „Ich habe lange über das nachgedacht, was Sie sagten. Sagen wir mal so: Ich habe inzwischen Zweifel an seiner Schuld. Die hatte ich vorher nicht.“

Andrea vermutet nun, daß k.o.-Tropfen im Spiel waren. Das würde erklären, warum im Blut nichts mehr nachweisbar war. Vor allem aber läßt das vermuten, daß der Täter seine Hausaufgaben gemacht hat. Sie ahnt, daß es jemand gewesen sein muß, der mehr von der Toten wollte, als sie zu geben bereit war.
Nur hat sie noch keine Ahnung, wer das sein könnte. Noch nicht …

Letzter Satz für heute: „Wer ist bloß zu so etwas fähig?“ murmelte Anna und seufzte.