Das böse Erwachen

Während Sadie konzentriert im Fall der ermordeten Familie in Waterford ermittelt, braut sich andernorts eine Bedrohung zusammen, die erneut ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird. Nun hat sie sich schon mit ihrer Vergangenheit arrangiert und versucht, zu vergessen, was ihr eigener Vater ihrer Familie vor fünfzehn Jahren angetan hat – und plötzlich ist er wieder da.

Die Nachrichtensprecherin machte eine Pause. „Ermittlungsbehörden in Oregon haben bekanntgegeben, daß der seit dreizehn Jahren im Todestrakt sitzende Serienmörder Rick Foster neue Angaben zu den damaligen Morden gemacht hat. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob es möglich ist, auf Fosters Bedingungen einzugehen, denn er verlangt im Gegenzug eine Umwandlung der Todesstrafe in eine lebenslange Haftstrafe.“

Wie vom Blitz getroffen fuhr Sadie herum und hätte beinahe das Glas fallengelassen, das sie gerade abtrocknen wollte. Mit ein paar großen Schritten war sie beim Fernseher und erstarrte in ihrer Bewegung, als sie das hinter der Nachrichtensprecherin eingeblendete Foto sah. Schlagartig wurde ihr von oben bis unten kalt.

Er trug den orangen Anzug, den so viele Häftlinge trugen, und hatte sich einen Vollbart wachsen lassen. Es war ganz bestimmt kein neues Foto, weil er keinerlei graue Haare hatte. Sie waren noch immer dunkel und wirkten etwas ungepflegt, so als wären sie länger nicht geschnitten worden.

Eine Träne kullerte über Sadies Wange, als sie in die Augen ihres Vaters blickte. Mit der linken Hand tastete sie rückwärts nach dem Sofa und setzte sich, bevor ihre Knie nachgaben.

Ein Moment, der alles ändert, so sehr Sadie auch versucht, das nicht zuzulassen. Jahrelang hat sie nur darauf gewartet, daß ihr Vater eines Tages aus ihrem Leben verschwunden sein wird – und jetzt kommt es vielleicht nicht dazu.

Aber das ist Stoff für die Fortsetzung „Erbarmungslose Jagd„!

Zu allem entschlossen …

… das ist Sadie in jeder Hinsicht. Nachdem sie sich bei ihrer besten Freundin Tessa eine Motivationsrede abgeholt hat, beschließt sie, mit ihrem Kollegen Matt nicht nur gemeinsam zu ermitteln, sondern ihn endlich ein wenig näher kennenzulernen. So ist jedenfalls der Plan.

„Eigentlich bin ich aus einem anderen Grund hier.“ Vor Aufregung drohte ihr Herz fast zu zerspringen.
„Aha?“ Neugierig drehte er sich zu ihr um, bevor er sich Kaffee einschüttete und gab sich Mühe, sie nicht anzustarren.
„Ja, ich habe nachgedacht“, fuhr Sadie nervös fort. „Es tut mir leid, daß ich dich immer wieder habe auflaufen lassen. Ich weiß selbst nicht so genau, warum. Also, wenn es dir jetzt nicht zu dumm geworden ist … dann laß uns doch wirklich essen gehen.“
Überrascht hob er eine Augenbraue, die Tasse in der einen und das Kaffeeglas in der anderen Hand. „Okay.“
Er sagte das beinahe fragend, war verständlicherweise vollkommen überrascht. Sadie errötete und senkte den Blick.
„Ich hätte auch verstanden, wenn du jetzt nein gesagt hättest.“
„Ach was“, sagte er und machte eine wegwischende Handbewegung, so daß beinahe seine Kaffeetasse überschwappte. Schnell stellte er alles hin und klopfte verlegen die Hände an seiner Hose ab. „Ich freue mich. Zwar hätte ich damit jetzt nicht gerechnet, aber ich freue mich. Wann ist es dir denn recht?“

Und so kommt es, daß Sadie plötzlich ihr erstes – ihr allererstes – Date hat. Eine Tatsache, über die sie sich mehr freut, als sie sich eingestehen will. Es imponiert ihr nämlich sehr, daß Matt an ihr interessiert ist. Also gehen sie gemeinsam essen – aber es dauert nicht lange, bis sich ihr Gespräch auf dünnes Eis begibt …

„Aber jetzt sag doch mal, du hast die Ausbildung beim FBI gemacht und trotzdem fährst du jetzt wieder Streife in Waterford. Wieso?“
Verlegen nippte Sadie an ihrer Cola und blickte auf den Tisch. „Das hat verschiedene Gründe. Der wichtigste ist wohl meine Familie. In Quantico war ich ganz allein, das fand ich schwierig.“
„Keinen Anschluß gefunden?“
„Schon, aber meine Familie ist mir sehr wichtig. Mein Onkel kämpft gerade gegen Hautkrebs und da bin ich lieber in der Nähe.“
„Dein Onkel?“ Matt stützte den Kopf in die Hände. „Bist du bei ihm aufgewachsen?“
„Bei ihm und meiner Tante, ja. Ursprünglich kommen wir aus Oregon. Sie haben mich aufgenommen, als meine Familie bei einem Hausbrand ums Leben gekommen ist“, sagte Sadie. Das ging ihr ganz leicht von den Lippen, es war die übliche Geschichte.
Sofort wurde Matts Gesichtsausdruck sehr ernst. „Das wußte ich gar nicht. Tut mir leid. Wann ist das passiert?“
„Es ist fünfzehn Jahre her“, sagte Sadie.

Was nichts heißt. Und Sadie ist sich dessen völlig bewußt, daß sie es mit einem Kollegen zu tun hat. Mit einem Polizisten, der die Narbe einer Schußverletzung erkennen würde, wenn er sie sieht. Ob das lange gut geht?

Frauenkram …

Eine ganz besondere Beziehung pflegt Sadie zu ihrer besten Freundin Tessa, dem lesbischen Computernerd. So kann man Tessa jedenfalls ziemlich schnell zusammenfassen. Die beiden sind befreundet, seit Sadie in der High School den Platz neben Tessa bekommen hat und Tessa sie mit Vorliebe aufs Korn nimmt. Die beiden blicken auf eine bewegte Jugend zurück …

„Auf welche Filme hättest du Lust?“ fragte Tessa. „Müssen ja keine schlechten sein.“
„Ein Actionfilm vielleicht?“
Tessa nickte sofort. „Gern. Bloß nix, wo Liebe drin vorkommt.“
Sie entschieden sich für eine Comicverfilmung und saßen schließlich im Schneidersitz nebeneinander auf dem Sofa, hatten Limonade mit Eiswürfeln vor sich und frisch duftendes, süßes Popcorn.
Solche Abende hatte Sadie schon oft mit Tessa erlebt. Früher hatten Tessas Mutter oder Tante Fanny das Popcorn gemacht und sie ermahnt, nicht zu lang aufzubleiben. Gary hatte ihnen Filme aus der Videothek geholt, die sie selbst noch nicht ausleihen durften. Bei Gruselfilmen war Tessa immer eingeschlafen, während Sadie romantische Komödien schrecklich fand. Ein guter Actionthriller war ihr deutlich lieber. Aber was sie am wenigsten mochte: Filme über Polizeiarbeit. Dabei regte sie sich immer viel zu sehr über all die Ungenauigkeiten und Fehler auf, mit denen die Polizeiarbeit beschrieben wurde.

Aber Tessa wäre ja nicht Tessa, wenn sie nicht Sorge dafür trägt, daß Sadie nicht eine Sekunde Schonfrist bei ihr kriegt. Dafür sind Frauenabende ja schließlich da – Tratsch und Intrigen!

„Das sollten wir wieder öfter machen“, sagte Tessa. „So macht das richtig Spaß.“
Sadie lag auf dem Sofa und rieb sich ihren wohlgenährten Bauch. „Und ich esse jedes Mal zuviel.“
„Ach komm schon, Schätzchen, du bist doch fit und durchtrainiert genug! Du weißt, du bist nicht mein Typ, aber daß dich kein Kerl heiß findet, will mir nicht in den Kopf.“
„Woher willst du wissen, daß es keiner tut?“ fragte Sadie.
Sofort drehte Tessa sich um und machte große Augen. „Sag jetzt nicht, die ewige Jungfrau hat einen Verehrer!“
„Du bist so gemein“, erwiderte Sadie. „Ich suche mir das doch auch nicht aus.“
„Schon klar, aber das ist doch schon lange kein Zustand mehr bei dir. Eigentlich war es noch nie einer! Aber du läßt dich ja nie verkuppeln …“
„Nein, so soll das auch nicht sein.“
„Aha. Aber zurück zum Thema, hast du jetzt einen Verehrer?“

Tessa ist somit schuld an allem, was weiterhin passiert. Aber ohne ihre stichelnde Freundin wäre Sadie schließlich auch nicht in ausreichendem Maße motiviert …

Profiling mit Sadie

Ob sie will oder nicht, als eine ganze Familie ermordet in Waterford aufgefunden wird, ist Sadie in ihrem Element. Schon am College und auch später an der FBI Academy hat sie sich auf Psychologie, Verhaltensforschung und Profiling spezialisiert. Mit diesen Fähigkeiten ist sie gerade besonders gefragt, denn niemand versteht, wer die Familie Bloom getötet hat – und warum. Dazu kommt noch: Der Täter hat tagelang im Haus der Familie gelebt.
Mit der Familie.
Und das auch nicht zum ersten Mal.

Der Täter war mobil, stalkte die Familien, drang in ihr Zuhause ein, folterte sie und brachte sie um. Er verleibte sich ihr Zuhause ein. Versuchte er, die Rolle des Familienvaters einzunehmen?
Sadie betrachtete Fotos der Mütter. Sie waren alle brünett, hatten halblanges Haar. Derselbe Typ. Das stützte ihre Theorie, daß die Mütter im Fokus standen. Der Rest der Familie war egal, abgesehen von der Konstellation der Familienmitglieder. Die Töchter als Opfer kamen dem Täter gelegen, aber sie standen nicht im Zentrum. Und zumindest in Colorado und Nevada war durch seine DNA nachgewiesen, daß es derselbe Täter war. Sadie war überzeugt, daß er auch in den anderen Fällen in Frage kam. Er hatte sich nie erwischen lassen, war immer geplant und durchdacht vorgegangen. Das machte ihn noch gefährlicher, denn brutale Täter, die durchdacht vorgingen, waren schwerer zu schnappen.

Entschlossenheit ist das, was Sadie in diesem Moment bewegt. Als sie mit Phil zum Tatort gerufen wurde, haben die beiden ein regelrechtes Schlachtfeld vorgefunden. Das kann und will Sadie so nicht stehen lassen.

Sie holte tief Luft und überflog ihre Notizen, um die Erinnerung zu verdrängen. Entweder war der Täter selbst Familienvater, der sich an seiner Frau rächen wollte und dafür Stellvertreterinnen suchte. Oder er hatte als Kind in seiner eigenen Familie Unrecht erlitten, an dem auch seine Mutter schuld war. Aber warum lebte er tagelang im Haus der Familie?
Er interagierte mit ihr. Das mußte so sein. Die Spuren verrieten ihnen nichts über das, was während dieser Tage geschah, aber er interagierte. Und Sadie war sicher, daß er die Rolle des Vaters annahm.
Das sprach für ihre Theorie des Familienvaters. Er hatte bestimmt alles verloren, was ihm selbst wichtig war. Jetzt wollte er es sich zurückholen.
So gingen manche Menschen damit um, wenn sie Verlust und Schmerz erfuhren. Sadie konnte sich vorstellen, wie der Täter sich fühlte. Sie hatte schon als Kind mehr Verlust erfahren, als andere Menschen in ihrem ganzen Leben. Aber ihre Antwort auf diesen Schmerz war eine andere: Sie jagte jetzt Menschen, die anderen Leid zufügten.

Und das tut sie auf ihre ganz spezielle Weise. Sie will diesen Täter unbedingt finden und weiß, sie bringt das nötige Rüstzeug mit. Aufgegeben hat sie schließlich noch nie.

Verbrechen und Geheimnisse

Ich habe es ja schon angedeutet: Meine neue Heldin Sadie hat ein Geheimnis – und eigentlich heißt sie auch nicht Sadie, aber diesen Namen trägt sie jetzt seit dreizehn Jahren und eigentlich weiß auch niemand außer ihrer Familie, daß ihr Vater ein verurteilter Mörder ist. Eine Tatsache, mit dem Sadie irgendwann zu leben gelernt hat, die aber weitaus größere Auswirkungen auf ihr Leben hat, als sie sich hätte träumen lassen.

Irgendwann in der High School hat Sadie beschlossen, auf Verbrecherjagd gehen zu wollen. Sie ist zur Polizeischule gegangen, hat als Polizistin gearbeitet und hat es sogar geschafft, die FBI Academy zu absolvieren. So weit, so gut. Daneben lebt sie aber allein mit ihren beiden Katzen und reagiert zurückhaltend, als sie angeflirtet wird.

Matt machte noch ein Foto, ehe er die Kamera sinken ließ, um Sadie anzusehen.
„Du solltest auch immer noch mit mir essen gehen.“
„Matt …“ Hilflos suchte sie nach Worten, während sie sich fragte, ob das wirklich sein Ernst war.
„Was denn? Ja, ich habe manchmal blöde Sprüche drauf. Aber du weißt, eigentlich bin ich ganz in Ordnung.“ Er setzte seinen schönsten Dackelblick auf, so daß Sadies Gewissen gleich noch schlechter wurde.
„Ja, das ist es nicht …“ begann sie.
„Was ist es denn dann?“ fragte er.

Mit dem Polizeifotografen Matt Whitman aus der nächstgrößeren Stadt Modesto hatte Sadie schon öfter zu tun und ihr ist auch nicht neu, daß er Interesse an ihr hat. Eigentlich mag sie Matt und seine große Klappe auch. Wenn da nur das Wörtchen „wenn“ nicht wäre …

„Es hat nichts mit dir zu tun. Wirklich nicht“, setzte sie erneut an. Mit leiserer Stimme fuhr sie fort: „Eher mit mir.“
„Erzähl mir bei einem Teller leckerer Pasta davon!“ beharrte er.
„Ich will dir aber nicht davon erzählen. Du möchtest das nicht hören, glaub mir“, sagte sie kopfschüttelnd.
„Überlaß das mal mir; ich bin erwachsen“, hielt er dagegen. „Das entscheide ich selbst. Gib mir nur eine Chance! Wenn du mich widerlich findest, sag es mir jetzt, aber ansonsten gib mir eine Chance.“
Entnervt schloß Sadie die Augen. Sie standen gerade vor der brutal zugerichteten Leiche eines jungen Mädchens und Matt wollte sie zum Essen einladen. Er meinte das tatsächlich ernst.
„Mal sehen“, sagte sie. Mehr wollte sie sich nicht entlocken lassen. Nicht jetzt und hier.
„Das ist zumindest kein Nein“, stellte Matt fest.

Ist es auch nicht, aber Sadie hat da ein Problem und das betrifft nicht nur den Umstand, daß sie Matt bezüglich ihrer Kindheit und Herkunft irgendwann anlügen müßte. Sie hat gar keine Chance, das wirklich vor ihm geheimzuhalten, weil sie eine sehr eindeutige Narbe auf dem Rücken hat …

Mord in der Kleinstadt

Nachdem ich meine Charaktere aus „Die Seele des Bösen“ bereits vorgestellt habe, ist es doch jetzt mal an der Zeit, ein wenig in die Ereignisse einzutauchen, mit denen sie es im Reihenauftakt „Finstere Erinnerung“ zu tun bekommen.
In Waterford geht eigentlich alles seinen gewohnten Gang: Sadie und ihr Kollege Phil fahren zusammen Streife, verteilen Strafzettel und haben ein Auge darauf, daß alles ruhig und friedlich ist.

Die beiden fuhren weiter und nahmen einen heruntergekommenen mexikanischen Imbiß unter die Lupe, vor dem öfter Drogendealer gesehen wurden. Tatsächlich hielten sich unter der Markise drei zwielichtig wirkende junge Männer auf, so daß Phil in der Nähe parkte und langsam und entspannt ausstieg.
„To protect and to serve!“ rief einer der Jungs ihnen zu. Auch Sadie stieg langsam aus.
„Hey Jungs“, sagte Phil. „Was geht ab bei euch?“
„Bei uns?“ fragte ein anderer. „Nicht viel. Wir chillen ein bißchen und gleich gibt’s was zwischen die Beißer!“
„Kann man hier gut essen?“ erkundigte Phil sich.
„Aber ja, Mann! Die Hütte sieht schäbig aus, aber wir wollen die Bude ja auch nicht mieten!“ Der Halbwüchsige lachte.

Ungefähr so sieht ein normaler Arbeitstag für Polizistin Sadie Scott aus. Wie ich ja an anderer Stelle schon erzählt habe, ist sie eine eigentlich völlig überqualifizierte, aber nichtsdestotrotz zufriedene Streifenpolizistin. Die Möglichkeit, beim FBI zu arbeiten, schiebt sie noch ein wenig vor sich her.
Aber nicht mehr lange. Denn als eine tote Familie gefunden wird, ist plötzlich alles anders …

„Wir sehen uns das an“, sagte Phil, während Sadie sich langsam umdrehte und zu dem Haus hinüberstarrte. Es lag dunkel da, ein Baum stand gleich davor neben der Auffahrt.
Genau wie damals bei ihr zu Hause.
Wie ferngesteuert ging sie los, hörte gar nicht auf das, was Phil mit der Familie besprach. Vor der Garage der Blooms parkte ein Familienvan. Bevor Sadie die Auffahrt betrat, tastete sie nach ihrer Taschenlampe und der Waffe. Die Haustür stand noch zur Hälfte offen, deshalb genügte ein leichter Tritt. Lampe und Waffe hielt Sadie mit ausgestreckten Armen vor sich und hielt instinktiv die Luft an, um nicht ihren eigenen Atem zu hören.

Sie konnte nicht warten. Es war ihr unmöglich. Obwohl sie es besser wußte, hing sie dem Gedanken nach, daß sie vielleicht noch jemanden finden würde. Lebend.
Doch alles war totenstill. Sadie überlegte, aber dann entschied sie sich, nach einem Lichtschalter zu suchen. Mit rechts hielt sie immer noch die Waffe vor sich, während sie mit der anderen Hand die Taschenlampe festhielt und nach einem Lichtschalter tastete. Neben dem Türrahmen wurde sie fündig, das Licht im Flur flammte auf.
„He, was machst du denn?“ fragte Phil von hinten. „Jetzt warte gefälligst auf mich!“

Doch im Gegensatz zu Sadie hat Phil keine Ahnung, was die beiden finden werden. Es ist blutig und grausam – und es weckt Sadies Entschlossenheit …

An die Arbeit!

Eins ist dieses Jahr viel zu kurz gekommen: Das Schreiben an sich. Ich war viel damit beschäftigt, mir Konzepte zu überlegen und habe nur aus einem auch wirklich mal etwas gemacht, das man mit Schreiben bezeichnen kann. Was schön war, auch wenn die Geschichte nie zum Einsatz kommen wird.

Mit dieser hier ist das anders. Nicht erst seit meinem kürzlichen USA-Urlaub habe ich Lust, meine Profilerin Andrea mal über den großen Teich zu schicken und sie einen Fall in Amerika bearbeiten zu lassen. Nun ist es ja nicht so, als hätten die Amerikaner nicht ihre eigenen Profiler.
Aber zwischen Teil 11 und Teil 12 sollte sie ja sowieso mal nach Quantico für einen kollegialen Austausch mit der BAU – und das eignet sich doch perfekt als Aufhänger für gemeinsame Ermittlungen!

Die Idee: Im Wüstenstaat Utah wurden immer wieder Tote irgendwo in der Einöde gefunden, doch die Morde konnten nie aufgeklärt werden. Erst jetzt ruft ein Polizist die BAU zu Hilfe, denn ihm ist aufgefallen, daß zwischen den einzelnen Morden Zusammenhänge bestehen. Andrea und ihre Kollegin Sienna begleiten die amerikanischen Profiler auf die andere Seite des Kontinents und ermitteln dort gemeinsam.

Die ersten rund 4000 Wörter sind bereits geschrieben. Gar nicht so leicht, da wieder reinzufinden, wenn man die ganze Zeit über nur mit Veröffentlichen beschäftigt ist – was ja auch Spaß macht und gerade sehr akut ist, aber man muß auch mal was anderes tun!

In mancherlei Hinsicht eine Premiere …

Man kann nicht immer nur überarbeiten, deshalb habe ich heute begonnen, an meinem neuen Projekt zu schreiben. „In einem anderen Leben“ ist ein Jugenddrama, dessen Entwurf meine Agentur vielversprechend fand und deshalb spucke ich da jetzt fleißig in die Hände.
Ich bin gespannt, wie das wird, denn üblicherweise reicht mir eine Prämisse, um mit dem Schreiben zu beginnen. Eine Grundidee, der Plot für die erste Hälfte – völlig ausreichend. Aber jetzt geht das nicht, denn ich brauche ein vollständiges Expose und muß jetzt schon wissen, was am Ende herauskommen wird.
Mal sehen, ob ich mich auch wirklich an meinen Plan halte …

Die 15jährige Tina traut sich nicht mehr vor die Tür, geschweige denn in die Schule, seit ihr Bruder Tom 18 Schüler und zwei Lehrer an seinem Gymnasium erschossen hat. Tina versteht nicht, wie es dazu kommen konnte und bringt es auch nicht fertig, ihren Bruder zu hassen.
Bei einem Besuch seines Grabes kommt es zu einer besonderen Begegnung: Tina begegnet Anja, die bei dem Massaker ihren Freund Micha verloren hat und selbst schwer verletzt wurde. Dann passiert etwas Erstaunliches: Die beiden werden Freundinnen …

Die allgemeine Reaktion auf diesen Plot lautete bisher: Da hast du dir aber was vorgenommen!
Wieso? Nur Konflikte sind etwas, das sich zu erzählen lohnt. Wenn alles schön ist und nichts passiert, schlafen mir jedenfalls die Füße ein – und zwar gründlich. Ich muß zwar gestehen, daß es nicht ganz einfach ist, sich in einen Jugendroman einzudenken, aber das Thema schreckt mich da nicht wirklich. Ist doch eine tolle Herausforderung!
Ich bin gespannt, was dabei herauskommt. In dem Bereich gibt es jedenfalls noch nicht viel.

Im Augenblick arbeite ich nun am Anfang, der ungefähr die Länge einer handelsüblichen Leseprobe erreichen soll. Das stelle ich dann meiner Agentur vor und warte mal ab, ob sie dann immer noch so begeistert von dem Stoff sind 😉
Die wesentliche Frage des heutigen Tages war jedenfalls: Wie brutal darf ein Jugendbuch sein?

Mareike neben ihr stöhnte, ihr Atem ging flach. Anja stockte der Atem, als Tom erneut schoß. Wen es getroffen hatte, sah Anja erst, als sie Miriam in Todesangst kreischen hörte. Ihre Sitznachbarin Viola lag tot am Boden. Dann schoß Tom erneut in Mareikes Richtung.
Er senkte die Waffe und ließ seine Blicke schweifen. Dann verließ er wortlos und seltsam teilnahmslos den Raum. Wie gelähmt beobachtete Anja ihn dabei und sah im Augenwinkel, wie Micha zu krampfen begann. Seine Zähne klapperten. Anja wollte ihn packen und festhalten, doch ihr Arm gehorchte nicht. Der Ärmel ihres Pullovers war zerfetzt, überall war Blut. In ihrem Kopf dröhnte es vor Schmerz und Angst. Ihr Arm brannte fürchterlich.
Tom war fort. Schluchzend und weinend saßen die Schüler unter den Tischen, manche unverletzt, manche blutend. Als Anja wieder zu Mareike blickte, erkannte sie, daß ihre Freundin tot war.

Sollte doch passen, hoffe ich. Mal sehen.
Morgen geht’s weiter.

My work here is done!

Überarbeiten ist anstrengend. So anstrengend, daß ich zwischendurch keine Kreativität mehr fürs Bloggen übrig hatte. Aber soeben bin ich damit fertig geworden, Teil 10 zu überarbeiten und ich bin wirklich sehr zufrieden. Die Erzählperspektive ist jetzt richtig und statt 63 000 Wörtern zählt er nun auch stolze 80 000 Wörter!
Irgendwie bin ich da ein bißchen merkwürdig, anstatt zu kürzen, verlängere ich neuerdings. Beim Schreiben zensiere ich mich immer schon selbst und schreibe nicht handlungsrelevante Dinge gar nicht erst auf. Die sind aber auch wichtig, das ist der Kitt in den Fugen. Deshalb habe ich das jetzt nachgereicht.

Ich war auch überrascht, zu sehen, wie gut alles trotzdem schon ausgearbeitet war. Das Überarbeiten hat auch großen Spaß gemacht, denn die Story ist durchgehend spannend. Das war mir gar nicht mehr klar, beim Schreiben fand ich es streckenweise langweilig. Versteh einer die Welt.
Es waren nur einige Passagen, die bei meiner Qualitätskontrolle wirklich durchgefallen sind und grundlegend erneuert wurden.
Bleibt jetzt bloß noch die Frage, was ich als nächstes korrigiere …

Mutter-Tochter-Gespräch

Seit gestern hab ich die ganze Zeit auf der Frage herumgekaut, wie denn diese Geschichte und damit meine ganze Thriller-Reihe enden soll. Versöhnlich, bitte. Was schwierig ist auf der Beerdigung einer wichtigen Person. Aber dann fiel mir ein: Sie sind auf einem Friedhof, der biographisch nicht ganz unbedeutend ist. Da könnte man ein Mutter-Tochter-Gespräch führen.

Die beiden liefen erneut quer über den städtischen Friedhof in Norwich bis zu einem schmalen Grab in einer abseitigen Ecke. Es hatte nur einen schlichten, kleinen Grabstein, auf dem der Name J. Harold eingraviert war. Das Datum seines Todes war identisch mit dem von Caroline Lewis.
Julie machte große Augen. „Hier liegt er also.“
„Ja. Er war der Campus Rapist von Norwich“, murmelte Andrea.
Impulsiv umarmte Julie ihre Mutter. „Deshalb bist du Profilerin geworden.“
„Ganz genau. Weil ich verhindern wollte, daß Leute wie er tun, was sie wollen.“
Julie blickte zu ihr auf. „Das ist großartig, Mum.“
„Irgendwie war es das“, stimmte Andrea zu. „Wenn ich mal überlege, wieviele Mörder wir gefunden haben …“

Retrospektive. Ich denke, das ist eine gute Idee, um eine Reihe zu einem versöhnlichen Abschluß zu bringen. Die beiden unterhalten sich und mal wieder stellt Andrea fest, daß ihre Tochter erwachsener ist, als sie bislang geglaubt hat.
Und dann gibt es auch noch gute Nachrichten:

Es klappte. Es war der inoffizielle Bescheid der Betreuerin, daß die Adoption in die Wege geleitet wurde.
„Greg!“ rief sie und sprang auf. Gregory lief ihr entgegen und sah sie gespannt an.
Andrea drückte Shannon einen Kuß auf die weiche Wange. „Bald sind wir zweifache Eltern!“
„Es klappt?“ fragte er.
Andrea nickte heftig. „Wir werden die Kleine adoptieren!“
„Ehrlich?“ rief Julie vom Fuß der Treppe und stürmte nach oben. „Ich kriege eine kleine Schwester!“

Das taugt doch ganz gut als Abschluß, würde ich sagen.
Und was mache ich jetzt?

Letzter Satz: Die Zukunft konnte kommen.