Fall gelöst, alle… unglücklich?

Was mich an vielen Thrillern stört: Das abrupte, wahlweise dick aufgetragene und unrealistische Ende. Einmal habe ich von einem strahlenden Helden gelesen, der die verschleppte Frau rettete und sie in den Armen hielt, während man von fern die Sirenen des Krankenwagens hörte. Buch Ende.
Schön auch: Traumatisierte Frau schafft es, dem Killer zu entfliehen (und zwar auf haarsträubend unrealistische Weise) und liegt hinterher total glücklich im Krankenhaus, ohne erahnen zu lassen, daß sie fast massakriert worden wäre.
Aber klar!!

So einen Murks spare ich mir lieber, obwohl ich ahne, warum andere Autoren keine Lust haben, am Ende zu arbeiten. Das ist nämlich anstrengend und nervig.
Das erste Mal habe ich mich damit so richtig bei „Am Abgrund seiner Seele“ auseinandergesetzt. Mir war da nicht nach Happy End. Es gab auch keinen Grund für ein Happy End. Nur: Wie schildert man das alles? Weglassen wollte ich es nicht. Für den Anfang habe ich alles aufgeschrieben – den Weg zum Krankenhaus, die Ereignisse dort, die Ankunft zu Hause und einen unvermeidlichen Alptraum nachts.
So wird das auch alles gewesen sein – nur: Das war furchtbar deprimierend. DAS will ja nun auch keiner lesen. Ich habe das anfangs alles bis zum (bitteren) Ende ausgefochten und irgendwann gemerkt: Nee, so geht das nicht. Also kam der Rotstift und es wurde alles auf ein Minimum zusammengestrichen und gekürzt – auf ein Fünftel, um genau zu sein.
Die Crux: Jetzt habe ich das Gefühl, es ist ein wenig zu kurz, aber jedes zusätzliche Element wäre eben wieder ungewollt deprimierend.
Interessant wohl, daß ich schon die Rückmeldung bekommen habe, daß gerade die psychologische Aufarbeitung nicht nur etwas Neues, sondern auch sehr interessant sei.

Eine schöne Möglichkeit, die ich auch genutzt habe, ist natürlich, das alles in die Fortsetzung zu verlagern. Am Anfang der „Knights of Truth“ wird schnell klar, daß Andrea eben doch nicht so gut mit den Geschehnissen zurechtkommt, wie sie selbst gern hätte. Da wird dem Ganzen noch etwas Raum gegeben.
Ähnlich sieht das aus bei „Ihre innersten Dämonen“ und dem „Yorkshire Infant Ripper“. Der Vorgänger ist immer noch Thema im Nachfolger, zumindest am Rande. Und der „Yorkshire Infant Ripper“ selbst bekommt auch das Ende, das ihm zusteht. Der Fall ist gelöst, aber es gehen eben nicht alle einfach nach Hause und tun so, als wäre nichts gewesen.

Im Frühstücksfernsehen war der vergangene Abend dramatisch aufgebauscht worden. Die Journalisten kreisten ums Polizeirevier wie die Geier ums Aas. Jeder wollte eine Stellungnahme erhaschen.
Doch es wurde scharf geschossen. Die Polizei wurde dafür kritisiert, daß sie bislang nicht in der Lage gewesen war, den Täter zu stellen. Wir Fallanalytiker wurden dafür kritisiert, daß wir es nicht geahnt hatten.

So kann es auch gehen. Davon abgesehen warten zu Hause in Norwich auch noch einige ungeklärte Dinge auf Andrea und Gregory, die alle noch ihren Platz brauchen. Und den bekommen sie auch. Ich höre nicht einfach mittendrin auf.

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