Man kann viel über das Schreiben schreiben. Schreibratgeber gibt es wie Sand am Meer, da muß man ja nur mal bei Amazon gucken und man wird schier erschlagen.
Und – ich gebe es zu – ich hab auch schon einen gekauft!! Das hat sich auch durchaus gelohnt. Dem geneigten Thrillerschreiber kann ich „How to write a mystery“ nur ans Herz legen. Inzwischen gibt es das Buch meines Wissens auch wieder auf Deutsch; zu dem Zeitpunkt aber nicht, deshalb habe ich mich für das Englische entschieden – war billiger als ein gebrauchtes altes aus Deutschland.
Wie ich jetzt darauf komme? Vorhin im Tintenzirkel-Forum wurde ein Ratgeber zur Charaktererstellung vorgestellt. Ich ganz persönlich fand das etwas schräg, da gerade die Charaktererstellung etwas ist, was ich richtig gut kann. Ich wüßte jetzt gar nicht, warum das schwierig sein könnte.
Ich überlege mir anfangs die Wunschkonstellation meiner Figuren – wie stehen die zueinander, wen braucht es drumherum, wie verändert das die Konstellation? Woher kommt derjenige, was macht er, wie sieht er aus, was ist bemerkenswert an ihm?
Der Rest entwickelt sich von selbst. Da muß ich jetzt nur mal an Jack denken – konzipiert war er von Anfang an als Großmaul und Frauenheld. Als ich dann aber „Für die Freiheit“ geschrieben habe, war er gar nicht so, wie er sein sollte, sondern viel zu nett!
Erst, als ich mich dazu entschieden habe, die Charaktere für den Thriller zu übernehmen, habe ich Anpassungen vorgenommen und jetzt ist Jack so, wie er immer sein sollte. Das hätte auch vorher gar keinen Sinn gemacht!
Charaktere für den Thriller übernommen – das stimmt so nicht. Der Thriller sollte ja erst eine Fortsetzung sein. Die namenlose Erstfassung von „Am Abgrund seiner Seele“ begann mit einer Hochzeit, es gab bereits eine Vergangenheit und am Ende war Caroline auch noch da. Es gab aber auch keinen funktionierenden Spannungsbogen.
Da ich mit der Ausarbeitung nicht einverstanden war, habe ich noch Ergänzungen vorgenommen. Danach habe ich mir dann überlegt, den Thriller abzukoppeln und die Charaktere umgeworfen – zumindest ein bißchen. Jetzt ist es so, daß Andrea und Greg sich erst an der Uni begegnen.
Danach wurde das Ende geändert – ich wollte kein ewiges Jammertal.
In der Zeit habe ich mir dann das Buch besorgt, denn ich hatte das Gefühl, nicht weiterzukommen. Thriller schreiben sich völlig anders als Fantasy. Mir fehlt so ein wenig das Spontane, das ich in der Fantasy immer so mochte. Da hat sich durch Blitzideen immer wieder alles verändert.
Mit dem Thriller will man aber etwas erreichen und dafür bestimmte Mittel und Wege nutzen. Das sorgt dafür, daß ein wenig Spontanität verloren geht. Es war wohl kein Zufall, daß ich relativ früh vorgegriffen und den Höhepunkt an einem Tag runtergeschrieben habe, denn daraus ließ sich erst das Profil zurückentwickeln.
Aber gut war das dann deshalb noch nicht. Das Buch hat mir einige Dinge demonstrativ vor Augen gehalten, die mir als Thriller-Fan zwar implizit klar waren, die ich aber irgendwie trotzdem nicht benennen und anwenden konnte.
Da war zum Beispiel die Frage, wieviel der Leser wissen darf. Ist es nun schlecht oder gerade gut, wenn er weiß, daß der Protagonist in Gefahr ist?
Man muß mit der Antizipation spielen. So schwer ist der Spannungsaufbau gar nicht, aber man muß mehr konzipieren. Man muß sich vorher genau überlegen: Welchen Effekt wird das haben? Welchen Effekt will ich denn eigentlich?
Oder auch das Problem mit der „Krimihandlung“ und der „Rahmenhandlung“. Ich stand mir ewig selbst im Weg und dachte, es darf nicht zuviel Beiwerk geben. Dabei ist das gerade das Salz in der Suppe. Ohne Hintergrund für die Figur schließt man sie nicht ins Herz. Die Figur braucht erst mal ihr Leben und das darf man dann schön einstürzen lassen.
Irgendwann war mir klar, wie ich es machen muß. Erst einmal gab es da eine heile Welt und dann habe ich sie nach und nach genüßlich zerstört. Wie ich inzwischen weiß, funktioniert das auch wirklich.
Im Augenblick fahre ich ganz gut damit, am Anfang spontan anzufangen. Ein bißchen plotten, dann anfangen, dann entwickeln, immer schreiben, Ideen zulassen. Hinterher kommt die Überarbeitung und Feinabstimmung: Erreiche ich eigentlich mein Ziel? Funktioniert die Story so?
Und irgendwie macht das sogar eine Menge Spaß. Ich habe „Am Abgrund seiner Seele“ wahnsinnig oft überarbeitet, aber es hat sich gelohnt. Jetzt ist die Story so, wie sie sein soll.