Zum Schreiben gehört auch das Gelesen-Werden. Was heißt hier überhaupt, „es gehört dazu“? Man schreibt doch überhaupt nur, um gelesen zu werden!
Jedenfalls ist das bei mir so.
Ganz wichtig bei der Schreibarbeit sind Probeleser. Aus jahrelanger Erfahrung kann ich berichten: Es ist gar nicht leicht, jemanden zu finden, der seine Sache versteht.
Probeleser Typ 1: Der Jünger. Das ist jemand, der dich allein dafür vergöttert, daß du überhaupt schreibst. Was du schreibst, ist ganz toll. „Hat mir gut gefallen“ ist der liebste, der Standardsatz dieses Probelesers.
Das ist total lieb gemeint … hilft unsereins aber überhaupt nicht weiter. Wenn ich jetzt mal wiedergeben würde, wieviele Leute etwa zur ersten Version der „Knights“ sagten, sie seien „total gut“, würde das peinlich werden. Die Version war nämlich der absolute Schrott!
Also steht man nachher mit einem Müllhaufen von Text da und denkt, er sei „gut“.
Es folgt ein imaginäres Plädoyer für Ehrlichkeit …
Probeleser Typ 2: Der Pingelige. Ich hatte schon mal den Fall, daß ich jemanden darum gebeten habe, bei einer eigentlich fertigen Geschichte nur mal drauf zu achten, ob man die vielen komplizierten Namen sortiert kriegt und ob alles stimmig ist – eine grobe Rückmeldung also.
Was kam drei Tage später zurück? Die ersten fünf Seiten, wo in so ziemlich jeder Zeile ein Verbesserungsvorschlag auftauchte – andere Satzstellung, andere Formulierung und lustigerweise ziemlich irrwitzige Komma- und Rechtschreibvorschläge, die umzusetzen ein fataler Fehler gewesen wäre.
Als ich dann auch noch sagte, daß das so nicht gemeint gewesen sei, war derjenige tödlich beleidigt und hat mein Zeug nie mehr angefaßt.
Probeleser Typ 3: Der Subjektive. Das ist der Typ Leser, der deine Story nur dann mag, wenn sie seine höchstpersönlichen Vorlieben anspricht, ganz egal, wie gut sie nun geschrieben ist.
Was aber viel wichtiger ist: Er mag sie nicht mehr, wenn du etwas schreibst, was ihm nicht gefällt – „ändere das!“
So geschehen zu jedem Moment in den Geschichten, wo Person A sich in Person B verliebt und es zu einer romantischen oder vielleicht sogar zu einer Liebesszene kommt.
„Viel zu schwülstig! Nimm das raus.“
Nun muß ich zu meiner Verteidigung sagen: Ich HASSE Kitsch, aber meine Protagonisten dürfen durchaus mal knutschen oder an der Zeugung ihrer Kinder arbeiten. Manchmal.
Es langweilt nur ein wenig, wenn man nach dem Lesen von seinem Probeleser ein Dokument zurückbekommt, bei dem erwartungsgemäß jede betreffende Passage mit „kürzen“ oder „streichen“ markiert ist und überdies JEDER andere Leser sie als absolut stimmig empfindet. Da wird auch nicht gesagt „ich finde“, sondern „ist so“.
Das kann man auch überhaupt nicht brauchen. Wäre schön, wenn jeder seine Traumata mit sich selbst ausmacht und bitte nicht in meine Arbeit hineinprojiziert!
Probeleser Typ 4: Der Ungenaue. Es soll schon vorgekommen sein, daß ich eine gute Handvoll Rückmeldungen zu einem 500 DIN A 4-Seiten umfassenden Manuskript zurückbekommen habe, von dem ich weiß (!), daß darin ganze Satzteile fehlen. Ich hätte ja nun gern gewußt, wo. Aber die wurden alle nicht aufgeführt – stattdessen kommen Kommentare wie „die Szene am Lagerfeuer war zu lang“.
Typ 4 ist also das genaue Gegenteil von Typ 2 und auch nicht viel erfreulicher. Zumal dann nicht, wenn man vor der Agentursuche um genaue sprachliche Durchsicht spezieller Passagen gebeten hat und dann eine einzige Anmerkung auf 10 Seiten findet, so daß man dann trotz Betriebsblindheit doch alles selbst machen muß.
Aber Ungenauigkeit kann sich auch darin niederschlagen, daß nach Dingen gefragt wird, die 5 Seiten zuvor erklärt wurden.
Probeleser Typ 5: Der Unzuverlässige. Geht doch nix darüber, wenn man jemandem sein Manuskript daläßt und es ein Jahr später unangerührt wieder mitnimmt, weil man keine Lust mehr hat, zu warten.
Dann sagt doch lieber von vornherein Nein.
Denn schließlich ist das Ganze eine freiwillige Sache und wird wohl leider von mir mit nicht viel mehr als einem „Dankeschön“ honoriert – was einem leider manchmal im Halse steckenbleibt 😉