Der zweite Teil der „archäologischen Grabungen“ kommt gekürzt, weil ich nicht glaube, daß irgendjemand den brutalen Herzschmerz eines Teenagers in Reinform erträgt. Nicht mal ich, dabei war es mein eigener.
Allerdings hat dieser Text auch so seine Stärken, und die will ich niemandem vorenthalten…
Vorhang auf für „When the love has gone“ vom 11.11.1999.
Irgendwas saß ihr im Nacken, das sie fast rennen ließ. Immer wieder kam es hoch, dieses Gefühl des Ekels, am liebsten hätte sie alles laut hinausgeschrien, was sich in ihrem Bauch austobte, mit tonlosen Stimmen schrie.
Der Brechreiz wollte übermäßig werden, doch als sie ihre Schritte noch mehr beschleunigte, ließen sich sämtliche Gefühle einigermaßen kontrollieren.
Ihre Arme schienen gelähmt, als ihr Gehirn ihnen den Befehl geben wollte, sich zum Jackezumachen zu bewegen. Der leichte Wind blies ihr ins Gesicht, eine Ponysträhne strich auf ihrer heißen Stirn hin und her. Trotz des nur sehr sanften Windes zitterte und fror sie, denn er bahnte sich schneidend kalt einen Weg durch den Stoff ihres Pullis.
Die Atmosphäre um sie herum hätte fast schon wie Vorweihnachtszeit gewirkt, wäre es nicht erst November gewesen und es sah noch gar nicht weihnachtlich aus. Kein Fensterbild, keine Lichetketten, aber es war schon stockdunkel, obwohl es erst sechs Uhr waren.
Nur wenige Wolkenfelder waren am Himmel zu sehen, aber umso mehr Sterne und die sehr schmale Sichel des vergangenen Neumondes.
Es roch nach Winter, die Luft war glasklar.
Ihre Gedanken spielten verrückt. Nur weg hier, dachte sie, nur nach Hause in mein Zimmer, Tür zu, Ruhe, Ende, aus. Nur abhauen hier. Nur allein sein.
Alles kam wieder hoch. Jeden Tag dachte sie noch an ihn, kam immer wieder zu dem Schluß, daß es zwar besser, aber trotzdem nicht gut war. In ihre Gedanken verirrte sich zwar seit Wochen nicht mehr das kleinste Gefühl von Liebe, sie dachte nur über ihn und sich nach. Objektiv, sachlich, mit der nötigen Distanz betrachtete sie die Dinge und sah trotzdem nichts.
Es hatte sie so ganz plötzlich auf dem Heimweg beschlichen, dieses Gefühl des Verfolgtwerdens, obwohl weit und breit niemand Böses zu sehen war, genauer gesagt, sogar niemand.
Allein ging sie nach Hause, allein, wieder mal. Allein war sie oft genug. Jetzt, ohne ihn, sowieso wieder.
Jeden gemeinsamen Augenblick vermißte sie, auch wenn nur sehr wenige Momente wirklich schön gewesen waren.
Lachen konnten sie gut gemeinsam, aber wann hatten sie mal geredet. Nie hatte er sie irgendwas Bedeutendes gefragt.
Mehr und mehr kamen ihr diese Monate wie ein Abenteuer vor, durch einen faulen Kompromiß überhaupt zustandegekommen, wie viele Kompromisse nun mal faul sind.
Keine träumenden Seifenblasen mehr von einer gemeinsamen Zukunft, keine Nähe, kein Lächeln mehr, geschweige denn ein Anflug von Zärtlichkeit.
Ihn dieses bisher letzte Mal gesehen zu haben, reichte ihr völlig. Es stieß ihr wieder mal hart auf und der Gedanke an seinen leeren, haltlosen Blick des verdrängten Erkennens ließ Tränen in ihre Augen steigen. Nicht schon wieder diesen Blicken ausgesetzt sein, die keine Blicke mehr waren, sondern nur Löcher in die Luft brannten.
Jetzt wollte sie auch nicht mehr, ihr Herz schrie nicht nach ihm. Sie liebte ihn nicht mehr.
Bei diesem Gedanken verlangsamete sie ihre Schritte auf normale Geschwindigkeit.